Erziehung und Machtkampf

Zuletzt aktualisiert am 25. August 2022

Erziehung sollte kein Machtkampf sein. Oder anders formuliert sollten Eltern Machtkämpfe mit ihren Kindern vermeiden. Wie Eltern Machtkämpfe vermeiden können, ist auf diversen Seiten zum Thema Erziehung zu lesen.

Doch mir ist ganz und gar nicht klar, warum auf so vielen Seiten im Internet Erziehung und Machtkampf in Verbindung gebracht werden. Ich verstehe auch nicht, was der Begriff Macht im Zusammenhang mit Erziehung zu suchen hat.

Im folgenden gehe ich meinem Unverständnis nach.

Wer will denn da in der Erziehung einen Machtkampf?

Wenn man etwas vermeiden möchte, steht ja im Raum, dass es dazu kommen kann. Einen Machtkampf können wir indes nur starten, wenn wir wissen, was Macht ist und dass man um sie kämpfen kann. Nach meinem Verständnis benötigen beide Seiten eines Kampfes dieses Wissen um Macht.

Der Begriff Macht ist nach meinem Verständnis ein sehr abstrakter Begriff, den Kinder nicht begreifen können, vielleicht Jugendliche im zunehmenden Alter.

Was bedeutet der Begriff Macht also?

Der Duden bietet uns zum Thema des Artikels 2 annähernd passende Bedeutungen:

Gesamtheit der Mittel und Kräfte, die jemandem oder einer Sache andern gegenüber zur Verfügung stehen; Einfluss

https://www.duden.de/rechtschreibung/Macht

Die Gesamtheit der Mittel und Kräfte ist eine wenig hilfreiche, sehr dehnbare Erklärung des Begriffs Macht.

Auch Einfluss wird laut Duden mit Macht gleichgesetzt. Danach wäre ein Machtkampf ein Einflusskampf. Das ist eine interessanter Gedanke. Kinder und Eltern laufen also Gefahr, um ihren Einfluss zu kämpfen.

Dies vermeiden zu wollen, würde bedeuten, Konflikte vermeiden zu wollen. Selbstverständlich gehört zu Beziehungen, dass der eine A und und der andere B möchte und gemeinsam an einer Verständigung gearbeitet wird. Dies gilt auch zwischen Kindern und Müttern bzw. Vätern.

mit dem Besitz einer politischen, gesellschaftlichen, öffentlichen Stellung und Funktion verbundene Befugnis, Möglichkeit oder Freiheit, über Menschen und Verhältnisse zu bestimmen, Herrschaft auszuüben

https://www.duden.de/rechtschreibung/Macht

Hier wird es nun besonders interessant.

Haben Eltern aufgrund ihrer Funktion als Eltern eine Befugnis, über ihre Kinder zu bestimmen? Sind sie im Besitz einer politischen, gesellschaftlichen oder öffentlichen Stellung? Wohl kaum! Sie sind Mutter oder Vater ihrer Kinder.

Sie dürfen in diesem Sinne nicht über ihre Kinder bestimmen oder sie beherrschen. Damit können Eltern Macht nur im Sinne von Einfluss verlieren und Kinder diesen gewinnen.

Machtkampf bei der Erziehung mit Kindern

Wie bereits gesagt, wissen Kinder nicht, was Macht ist oder bedeutet. Die Idee, dass sie Eltern in einen Machtkampf ziehen wollen, ist deshalb nicht nur völliger Unsinn, sondern auch hinderlich für das entspannte Erziehungsverhalten von Eltern.

Ein Beispiel (so ähnlich im Netz zu finden):

Klaus und seine Eltern sitzen am Esstisch. Der 2-jährige Klaus wirft genervt seinen Apfel auf den Boden.

Sein Vater fordert Klaus auf, den Apfel wieder aufzuheben. Klaus folgt der Aufforderung allerdings nicht, sondern läuft in sein Zimmer. Die Idee, dass der Vater nun die Kontrolle, sein Gesicht oder seine Macht verlieren könnte, ist reine Spekulation. Wenn Eltern diesen Spekulationen nachgeben, im Sinne von, wo soll das für Klaus enden, sind sie in der jeweiligen Situation nicht mehr handlungsfähig.

Kein Machtkampf, sondern ein Konflikt

Die Annahme, der 2-jährige Klaus möchte mit seinem Verhalten den erwachsenen Vater in einen Machtkampf ziehen, ist für den Vater hier nicht hilfreich.

Vielmehr ist der 2-jährige Klaus nun mit einem eigenen Willen ausgestattet und folgt diesem aus einem persönlichen Grund. Der Vater ist hier gefordert, genau zu wissen, warum er möchte, dass sein Sohn den Apfel wieder aufhebt. Treffliche Gründe dafür gibt es einige. Wenn er sich sicher ist, dann kann er seinem Sohn folgen und seinen Wunsch ihm gegenüber widerholen und damit bekräftigen. Dabei kann er auch erforderlich sein, dass der Vater seine eigenen Grenzen aufzeigt.

Der Vater sollte den vorhandenen Konflikt mit seinem Sohn austragen und dies nicht seine Partnerin überlassen, denn es handelt sich hier nicht um einen Machtkampf, sondern um einen Konflikt.

Für ihn bedeutet es Kontrollverlust, Machtverlust, Gesichtsverlust. Wenn man alles durchgehen lässt, was wird dann in zehn oder fünfzehn Jahren sein? 

Machtkampf bei der Erziehung mit älteren Kindern und Jugendlichen

Ab wann ältere Kinder oder Jugendliche mit dem Begriff Macht etwas anfangen können, dürfte vom jeweiligen Kind oder Jugendlichen abhängen.

Letztendlich ist es nachvollziehbar, dass Kinder und Jugendliche zunehmend Einfluss gewinnen wollen; und dies bezieht sich selbstverständlich zunächst auf die eigenen Entscheidungen und dann auch auf ihre Mütter und Väter. Das nennt man letztendlich auch Beziehungsgestaltung.

Insofern gibt es hier nichts im Sinne eines Machtkampfes zu vermeiden. Vielmehr geht es darum, Konflikte, die aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse entstehen, anzunehmen.

Wollt ihr Machtkämpfe vermeiden?

Machtkämpfe sind zwischen Eltern und Kindern bzw. Jugendlichen erst ab einem gewissen Alter zumindest denkbar. Eigene Bedürfnisse durchsetzen zu wollen, muss auf beiden Seiten erlaubt sein. Allerdings sind Eltern gut beraten, wenn sie das Alter ihres Nachwuchses und die damit (nicht) vorhandenen Kompetenzen berücksichtigen.

Glaubt ihr, dass Eure Kinder Machtkämpfe provozieren? Seid ihr Euch Eurer Motive bei der Formulierung von Anforderungen Euren Kindern gegenüber sicher?

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