Digitale Welt verstehen – Ein sinnloses Unterfangen

Zuletzt aktualisiert am 28. November 2022

Die digitale Welt verstehen zu wollen, ist ein absurder Wunsch. Denn die digitale Welt ist ein Schlüsselbegriff der IT Branche, um uns weiß zu machen, dass diese dieselbe Bedeutung hat oder haben muss, wie die reale oder analoge, also die wirkliche Welt.

Mich in einem Artikel mit dem Begriff Digitale Welt zu beschäftigen, halte ich für geboten, weil es auch jenseits der IT Branche viele Artikel, wie diesen, gibt, die nachplappern, was heute allerorts zu hören und zu lesen ist.

Das Zauberwort heisst Befähigung. Wer seinem Kind im richtigen Alter (das individuell zu bestimmen ist) den Zugang zu digitalen Medien eröffnet, es gleichzeitig über Chancen und Gefahren informiert, punktuell begleitet, ihm vor allem aber auch Vertrauen schenkt, der ist sehr viel sicherer als Eltern, die versuchen, das «Böse» auszusperren.

https://www.swissfamily.ch/artikel/boese-digitale-welt/

Eltern sind also gute Eltern, wenn sie entscheiden, ihren Kindern Zugang zur digitalen Welt zu gewähren und ihre Kinder dann begleiten. Diese Aussage entspricht mehr oder weniger dem, was der Mainsteam der Medienpädagogik verbreitet.

Digitale Welt? Was soll das sein?

Bevor ich mich näher mit dem Begriff Digitale Welt beschäftige, möchte ich zusammen fassen, womit dieser verbunden wird. Einen ersten Hinweis gibt uns die Seite der Verbraucherzentrale.

Dort werden Kategorien aufgelistet, zu denen die Verbraucherzentrale aufklärt. Damit wird deutlich, dass der Begriff digitale Welt so einiges umfassen soll.

  • Online Handel
  • Soziale Netzwerke
  • Software und Apps
  • Online Dienste
  • Mobilfunk und Festnetz
  • Fernsehen

Wenn wir demnach den Online Handel nutzen oder soziale Netzwerke ‘bewegen’ wir uns in der digitalen Welt. Wenn wir Software bzw. Apps benutzen, sind wir in der digitalen Welt. Dies gilt auch für Online Dienste, den Mobilfunk, das Telefon-festnetz und den Fernseher.

Einen wichtigen Hinweis, nein, einen elementaren Hinweis, erhalten wir durch das Verbraucher Portal Chip.de.

“Digital” leitet sich vom lateinischen Wort “digitus” ab, was übersetzt “Finger” heisst. In der Technik bedeutet Digital, dass etwas mit einer begrenzten Zahl von Ziffern dargestellt ist.

Digitale Technik verarbeitet und übermittelt Informationen also immer mit Hilfe einer begrenzten Anzahl von Ziffern.

https://praxistipps.chip.de/was-ist-digital-einfach-erklaert_41596

Daraus ergibt sich der Schluss, dass die digitale Welt keine Wirklichkeit im herkömmlichen Sinne ist. Die digitale Welt gibt es also nicht. Oder anders gesagt ist die digitale Welt etwas Abstraktes, etwas aus der Mathematik, etwas aus einer Abfolge von Ziffern. Dennoch spricht die Gesellschaft ständig von der digitalen Welt. Warum?

Bei Wikipedia heißt es zum Begriff Welt:

Welt bezeichnet all das, was ist.

https://de.wikipedia.org/wiki/Welt

Es wird deutlich, dass es hier an dieser Stelle wirklich kompliziert werden kann. Wenn man sich dazu entscheidet, darüber zu philosophieren, was denn tatsächlich ist.

Eines ist dennoch gewiss. Durch den Begriff Digitale Welt wird suggeriert, dass beispielsweise ein Online Shop tasächlich ist. Demnach wäre eine Software oder eine App im wahrsten Sinne existent. Damit verbunden ist die Gleichwertigkeit zur realen Welt, in der wir uns mit unserem Körper und unseren Sinnen tatsächlich bewegen.

Wie absurd die mit dem Begriff digitale Welt verknüpfte Behauptung ist, mag nun klar werden. Dennoch schaffen es immer wieder gesellschaftliche Bereiche, die der IT Branche irgendwie verbunden sind, dem die Krone auf zu setzen.

Leben in der digitalen Welt

Nicht nur, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Artikel mit Leben in der digitalen Welt übertitelt. Nein, damit nicht genug. Im Artikel selbst heißt es:

Die technologischen Entwicklungen verändern zunehmend unser Alltagsleben. Zahlreiche Aktivitäten geschehen inzwischen online und sowohl berufliche als auch private Kommunikation findet in großem Umfang in digitalen Räumen statt. Viele Menschen nutzen soziale Netzwerke und geben dabei so viele personenbezogene Informationen preis wie nie zuvor. Dies wird verstärkt durch die Möglichkeit der mobilen Nutzung des Internets.

https://www.forschung-it-sicherheit-kommunikationssysteme.de/forschung/leben-in-der-digitalen-welt

…..Zahlreiche Aktivitäten geschehen inzwischen online…..

…..sowohl berufliche als auch private Kommunikation findet in großem Umfang in digitalen Räumen statt.

Aktivitäten geschehen online, würde bedeuten, dass wir nicht an unserem Schreibtisch mit dem PC oder auf dem Sofa mit dem Tablet auf Links klicken würden. Es handelt sich um eine hahnebüchene Formulierung.

In digitalen Räumen ist auch eine dieser Formulierungen, die uns etwas vorgaukelt, was keinen Bestand hat. Auf einem 2 dimensionalen Display eine mail zu schreiben und abzuschicken, bedeutet, am PC oder mit dem Smartphone mithilfe von 0 und 1 einen Text zu erzeugen und diesen zu verschicken. Das gilt auch für die bekannten Messenger wie WhatsApp oder Telegram. Der Raum, in dem wir uns befinden, ist unser jeweiliger Aufenthaltsraum, wenn wir digitale Medien nutzen.

Böse digitale Welt

Zurück zu dem Artikel, den ich eingangs verlinkt habe und zur Nutzung digitaler Medien. Dazu sind noch einige Anmerkungen notwendig. Denn die Überschrift Böse Digitale Welt soll provozieren. Tatsächlich handelt es sich um einen Artikel, der die Digitalisierung als Segen bezeichnet und verneint, dass sie ein Fluch ist.

Die Digitalisierung ist ein Segen, kein Fluch.

https://www.swissfamily.ch/artikel/boese-digitale-welt/

Der Duden benennt als mögliche Bedeutung des Begriffs Segen:

Glück, Wohltat

https://www.duden.de/rechtschreibung/Segen

Für den Fluch sieht der Duden folgende Bedeutungen vor:

Strafe, Unheil, Verderben

https://www.duden.de/rechtschreibung/Fluch

Die Schwarzweißmalerei, die mit diesen beiden Begriffen betrieben wird, ist für die Einordnung der Digitalisierung also wenig hilfreich bis kontraproduktiv. Denn die Digitalisierung ist weder ein Segen noch ein Fluch.

Und in welche Richtung das Pendel ausschlägt, hängt von jedem einzelnen ab. Und auf diesem Hintergrund ist es von elementarer Bedeutung, ob Kinder, wohl gemerkt Kinder unter 14 Jahren, Zugang zu digitalen Medien erhalten.

Wissen durch die digitale Welt?

Der Artikel bei Swissfamily stellt zur Untermauerung seiner Behautpung, die digiale Welt sei ein Segen, weitere Behauptungen auf:

Die heutigen Geräte passen auf eine Handfläche und vereinen das Wissen der gesamten Welt, abrufbar mit einem Fingertippen.

https://www.swissfamily.ch/artikel/boese-digitale-welt/

Der Autor spricht davon, dass die Geräte, damit sind offenbar Handys oder Smartphones gemeint, das Wissen der gesamten Welt vereinen. Eine recht steile These, die wohl mehr darauf abzielt, dass man mit ihnen im Internet viele Inhalte finden kann. Dass es sich bei diesen Inhalten nicht immer um wahres Wissen handelt, sollte inzwischen jedem klar sein.

Hinkender Vergleich

Gemäß der Prämisse, dass Eltern entscheiden müssen, ob sie ihren Kindern Zugang in die ‘digitale Welt’ gewähren, behauptet der Autor, solche Entscheidungen mussten schon immer getroffen werden:

Wann darf das Kind die Karotte mit dem scharfen Messer selbst schneiden? Wann darf es selbst in den Dorfladen, um Milch zu holen? Wann darf es bei einem Schulkollegen übernachten? Wir stehen dauernd vor solchen Entscheidungen, die Digitalisierung ist diesbezüglich nichts Neues.

https://www.swissfamily.ch/artikel/boese-digitale-welt/

Die 3 Beispiele sind nun ganz und gar nicht dazu geeignet, Argumente für die Digitalisierung zu liefern. Denn diese sind tatsächlich relevant in der realen Welt. Der Autor vergleicht hier Äpfel mit Birnen und versucht uns wieder die Idee unter zu jubeln, dass die ‘digitale Welt’ dieselbe Bedeutung hat oder haben muss wie die reale Welt.

Verhältnismäßigkeit von Elternverhalten

Die ‘digitale Welt’ muss Kindern näher gebracht werden. Das ist nicht nur der Tenor des Autors. Artikel mit der derselben Botschaft an Eltern – sie würden ihren Kinder Chancen verbauen – gibt es inzwischen zu Hauf im Netz.

Es ist auch eine ziemlich verrückte Idee, Kinder so lange wie möglich von digitalen Instrumenten fernzuhalten. Denn Schule und Arbeitswelt werden immer digitaler, ob wir es wollen oder nicht. Es ist, als würde man sein Kind möglichst lange von Buchstaben abschirmen – und dann muss es mit einem Mal fliessend lesen können.

https://www.swissfamily.ch/artikel/boese-digitale-welt/

Weil Schule und Arbeitswelt immer digitaler werden, ist es also eine verrückte Idee, Kinder von digitalen Endgeräten und Internet fernzuhalten. Ich behaupte, es ist eine grandiose Idee, wobei auch ich meine Behauptung nicht wissenschaftlich unterfüttern kann.

Der vergleich mit den Buchstaben soll Eltern ebenfalls auf unangenehme Weise ins Gewissen reden. Und, da bin ich mir sicher: Das verfängt.

Und es hat seinen Grund, warum Kinder in der Grundschule mit Buchstaben konfrontiert werden. Am Ende der Grundschule können sie lesen, wenn Grundschule seinen Job macht bzw. machen kann.

Verherrlichung der digitalen Welt – 0 und 1 vs reale Welt

Die sogenannte digitale Welt ist abstrakt und spielt sich auf 2-dimensionalen Endgeräten ab. Auch dieser Autor blendet aus, dass es bei der Entwicklung von Kindern nicht nur um den Kinderschutz und später Jugendschutz geht. Nein; es geht bei Kindern um Entwicklungsschritte, für deren Bewältigung sie keine Erfahrungen auf einem Bildschirm, egal welcher Art, gebrauchen können.

Die digitale Welt hat mit der Komplexität der realen Welt nichts gemein. Sie ist verlockend; keine Frage. Doch die Bedienung eines Tablets oder eines Smartphones ist kein Hexenwerk, wie es oft behauptet wird. Dies ist auch mit 14 Jahren schnell erlernbar. Mit gebührendem Abstand sind Jugendliche dann besser in der Lage, das Internet mit seinen Verlockungen, Gefahren und auch Möglichkeiten angemessen einzuordnen.

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