Häusliche Gewalt keine Beziehungstat

Zuletzt aktualisiert am 25. August 2022

Wenn Täter Häusliche Gewalt verursachen, schreibt oder spricht man immer noch oft von einer Beziehungstat. Die Tagesschau weist darauf hin, dass man dieses Phänomen heute Femizid nennt. Die Tagesschau berichtet auch, dass nun die erste evidenzbasierte Studie starten soll. Ich gehe im folgenden näher auf den Artikel der Tagesschau ein, denn er zeigt wie wenig differenziert der Umgang mit dem Phänomen Häusliche Gewalt ist.

Beziehungstat, Ehedrama, Familientragödie

Der Artikel berichtet von einem Täter. Dieser steht nun vor Gericht, weil er seine Frau mit 2 Schüssen in die Brust ermordet hat. Und dann spricht der Artikel von einem Fall:

Solche Fälle dürften nicht als “Ehedrama”, “Familientragödie” oder “Beziehungstat” abgetan und verharmlost werden, findet Psychologin Deborah Hellmann: “Das ist Mord oder Totschlag und der richtet sich systematisch gegen Frauen.”

https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/femizide-studie-101.html

Eine Psychologin weist im Artikel darauf hin, dass solche ‘Fälle’ nicht Ehedrama (zum Beispiel), Familientragödie (zum Beispiel) oder Beziehungstat genannt werden sollten. Sie würden damit verharmlost. Doch es handelt sich nicht um Fälle. Es ist mindestens unglücklich, gegen eine Verharmlosung einzutreten und dann von einem Fall zu sprechen.

Nun kann man einwenden, dass die Justiz ja Fälle verhandelt. Insofern wäre das Wort vom Fall ja keinesfalls verharmlosend. Zumal die Psychologin auf die möglichen juristischen Bewertungen Mord oder Totschlag hinweist.

Auch in anderen Zusammenhängen wird von Fällen gesprochen. Doch bei einem tätlichen Angriff erzeugt der Täter gravierende Folgen für das Opfer; physisch und psychisch.

Die Justiz sollte indes ebenfalls nicht von Fällen sprechen. Noch weniger sollten diejenigen, die einer Verharmlosung entgegen wirken wollen, dies tun.

Hier bildet sich ab, was unsere Gesellschaft im Umgang mit dem Phänomen Häusliche Gewalt auszeichnet. Häusliche Gewalt sollte werder mit einer Beziehungstat noch einem Fall gleichgesetzt werden. Denn es gibt immer einen Täter und ein Opfer.

Beziehungstat und Verantwortung für Häusliche Gewalt

Der Begriff Beziehungstat suggeriert, die Ursachen für die Tat könnten in der jeweiligen Beziehung liegen. Dann wäre das Opfer nicht nur passiv als betroffenes Opfer beteiligt.

Nein! Die von Häuslicher Gewalt betroffene Frau hätte sogar ihren Teil dazu beigetragen.

Der Begriff Beziehungstat nimmt dem Täter die alleinige Verantwortung. Deshalb ist seine Verwendung grundsätzlich fatal.

Zunächst scheint der Begriff dem Täter entgegen zu kommen. Denn ihm ist ein Teil der Last genommen. Doch tatsächlich wird er genau deshalb auch darin bestärkt, seine Verantwortung bald gänzlich an das Opfer abzugeben. Seine Chancen, sein eigenes Gewaltverhalten zu beenden, sind dann gleich Null.

Denn ohne Verantwortung hat kein Täter Zugriff auf seine Entscheidungen und sein Verhalten.

Häusliche Gewalt – Statistik

Dann stellt der Artikel fest, wieviele Menschen 2020 von ihren (Ex-)Partnern getötet oder ermordert wurden.

Über 80% (139) der in Deutschland ermorderten oder getöteten Menschen sind demnach Frauen.

Partnerschaftsgewalt und Verantwortung für Häusliche Gewalt

Leider setzt der Artikel seine undifferenzierte Auseinandersetzung fort. Denn er spricht von Tatbeständen, die passiert sind. Tätliche Übergriffe sind allerdings Handlungen, die nicht passieren. Sie setzen eine Entscheidung voraus.

Dann nutzt die Autorin den Begriff Partnerschaftsgewalt. Den sollte sie ebenfalls schon längst nicht mehr im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt nutzen. Er suggeriert wieder eine vermeintliche Ursache in der Partnerschaft. Die Gefahr: das Opfer erhält eine Mitverantwortung.

Studie zu Häuslicher Gewalt?

Die Studie wird keine Studie ausschließlich zu häuslicher Gewalt sein. Es geht um Femizide, also um männliche Täter, die Frauen umbringen.

Sie wird auch ‘frauenfeindliche’ Morde untersuchen, die nicht unter häusliche Gewalt einzuordnen sind.

Außerdem bezieht sie sich ausschließlich auf das Jahr 2017 und nur 3 Bundesländer. Dazu wollen sie 352 Tötungen an Frauen untersuchen. Eine interessante Frage ist, wie die Staatsanwaltschaft, also die Justiz, mit den Taten umgegangen ist.

Begleitumstände und Alkohol

Leider macht die Studie einen großen Fehler. Denn sie will Begleitumstände wie die Finanzen untersuchen. Außerdem wird gefragt, welche Rolle Alkohol gespielt hat.

Doch die Antwort ist klar:

Alkohol spielt keine Rolle. Wie soll er das machen? Alkohol ist eine Sache. Für die Täter beginnt die Verantwortung bereits bei der Entscheidung zum Alkoholkonsum. Wenn sie unter Alkohol dazu neigen, sich für Gewaltverhalten gegen ihre Ehefrauen oder Partnerinnen zu entscheiden, dann müssen sie Alkohol weg lassen.

Beziehungstat nimmt das Opfer hinsichtlich Häusliche Gewalt in die Mitverantwortung

Grundsätzlich ist es wichtig, Häusliche Gewalt mehr in den Fokus zu nehmen. Die Justiz hat leider noch nicht verstanden, dass Täter allein verantwortlich sind. Doch die Studie weist bereits jetzt schon ihre Schwächen aus.

In Deutschland werden Täter oft zunächst zu Opfern gemacht. Erst dann ist die Gesellschaft bereit, etwas für sie zu tun. Die Studie leistet dem durch ihren Ansatz Vorschub.

Außerdem muss in einem Land wie Deutschland eines klar sein. Solche Taten sind von öffentlichem Interesse. Denn Täter beschädigen ihre Opfer nicht nur körperlich, sondern auch psychisch. Die betroffenen Frauen haben ein Recht auf öffentlichen Schutz. Dieser wird ihnen oft verwehrt. Es fehlen Plätze in Frauenhäusern. Und die Art der Finanzierung sperrt viele Frauen aus. Nämlich jene, die keinen Anspruch auf staatliche Hilfen haben.

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