Was ist Gewaltfreie Kommunikation?

Zuletzt aktualisiert am 4. April 2023

Gewaltfreie Kommunikation ist ein Begriff, der seit einiger Zeit Konjunktur hat. Wenn ihr mit der Frage “Was ist gewaltfreie Kommunikation” beschäftigt seid, dann kann ich euch sagen, dass ich mir diese Frage auch gestellt habe.

Ich mag den Begriff Gewaltfreie Kommunikation nicht, denn er bringt zwei Begriffe zusammen, die sich mit einer Ausnahme ausschließen. Warum dieser Begriff mehr Schaden anrichtet, als für Aufklärung zu sorgen, erfahrt ihr im Folgenden.

Außerdem ordne ich die Ansätze der Gewaltfreien Kommunikation im Hinblick auf ihre Nützlichkeit für eure Kommunikation ein.

Gewaltfrei kommunizieren

Wer möchte das nicht? Jeder weiß, dass Gewalt nicht nur unerwünscht ist. Nein! Jede und jeder weiß: Gewaltverhalten ist eine Straftat und das auch im häuslichen Bereich, also innerhalb der Familie.

Der Begriff Gewaltfreie Kommunikation suggeriert uns, dass wir oft gewaltvoll kommunizieren. Doch ist dem so?

Gewaltvolle Kommunikation

Eindeutig nein! Es gibt nur eine Form der Kommunikation, die gewaltvoll ist oder klarer formuliert Gewaltverhalten bedeutet. In meinem Artikel zur Definition von Häuslicher Gewalt habe ich dies bereits festgestellt.

In aller Kürze stelle ich nochmals fest, dass wir uns verbal nur gewalttätig verhalten, wenn wir anderen verbal damit drohen, uns ihnen gegenüber gewalttätig zu verhalten.

Wenn Du nicht die Schnauze hältst, haue ich Dir was in die Fresse

So oder so ähnlich müssen wir uns äußern, damit unsere Kommunikation gewaltvoll ist. Wir müssen also damit drohen, unseren Mitmenschen körperlich anzugreifen, um gewaltvoll zu kommunizieren. Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation zeigt, wie man gewaltfrei kommunizieren kann. Im Umkehrschluss wäre dann jede Kommunikation, die nicht den Vorgaben der Gewaltfreien Kommunikation entspricht, gewaltvoll.

Schauen wir uns also an, was gewaltfrei zu kommunizieren nach dem Ansatz der Gewaltfreien Kommunikation bedeutet.

Gewaltfreie Kommunikation und 4 Schritte

Die Gewaltfreie Kommunikation gibt vor, dass wir für unsere Kommunikation 4 Schritte gehen sollten.

Beobachtung

Zunächst ist es wichtig oder ratsam, ein Phänomen in Form einer Aussage (Nachricht im 4 Ohren Modell) oder Handlung zu beobachten und nicht zu bewerten. Das bedeutet gleichzeitig, nach einer Aussage oder Handlung nicht zu interpretieren. Sprachlich erfordert dies, das jeweilige Phänomen zu erfassen.

Gefühl

Richtigerweise geht es danach darum, die eigenen Gefühle zu benennen. Das entspricht meiner Erkenntnis, dass jede Nachricht oder Handlung, oft auch eine Frage, bei uns mindestens ein Gefühl auslöst oder sich bei uns Unverständnis einstellt. Mit der Gewaltfreien Kommunikation geht die Annahme einher, dass unsere Beobachtung eines Phänomens ein Gefühl auslöst. Unserer Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung kommt auch hier eine entscheidende Bedeutung zu.

Bedürfnis

Gefühle sind oft mit Bedürfnissen verbunden und gleichermaßen auch mit Grenzen, die überschritten werden oder wurden. Im Artikel bei Wikipedia zur GfK (Gewaltfreie Kommunikation) wird davon gesprochen, Gefühle zu betrachten. Das ist allerdings erst möglich, wenn wir in der Lage sind, unsere Gefühle auch zu merken.

Oft, nicht immer, weist uns ein Gefühl auf ein nicht befriedigtes Bedürfnis hin.

Bitte

Auf dem Hintergrund eines Gefühls soll dann eine Bitte ausgesprochen werden. Eine Bitte kann laut 4 Ohren Modell durch eine Botschaft auf der Appellebene oder auf der Beziehungsebene erfolgen. Die Gewaltfreie Kommunikation macht diesen Hinweis offenbar nicht.

Gewaltfreie Kommunikation – Kritik

Selbstverständlich gibt es auch Kritik an der Gewaltfreien Kommunikation. So gibt es die Idee oder Befürchtung, dass damit ein Instrument vorliegt, mit dem man Menschen manipulieren kann. Diese Kritik ist nicht von der Hand zu weisen, denn es kursieren genügend Beispiele, wie die 4 Schritte der gewaltfreien Kommunikation aussehen müssen.

Obwohl jemand nicht in der Lage ist, ein Gefühl wirklich zu merken, kann er diese Schritte einstudieren. Doch diese Kritik muss sich auch auf das 4 Ohren Modell beziehen. Grundsätzlich besteht immer die Gefahr, dass wir nicht wirklich authentisch kommunizieren, wenn wir einem Ideal, welches durch ein Modell vorgegeben wird, entsprechen wollen.

Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass der Begriff Gewaltfreie Kommunikation bedenklich ist. Er suggeriert, dass wir gewaltvoll kommunizieren, wenn wir nicht nach den Regeln der Gewaltfreien Kommunikation kommunizieren. Dadurch entsteht nicht nur ein enormer Druck, sondern es entsteht auch die Gefahr, dass wir an Authentizität verlieren.

Außerdem entsteht durch den Begriff ein völlig falsches Bild im Hinblick auf Häusliche Gewalt. Nicht jedes böse Wort, jedes aggressive Verhalten ist gleich Häusliche Gewalt. Mein Eindruck ist darüber hinaus, dass die GfK auch in anderen Lebensbereiche viele Menschen beeinflusst und es stellt sich mir die Frage, ob dies immer so hilfreich ist.

Was ist Gewaltfreie Kommunikation? Fazit

Gewaltfreie Kommunikation ist ein Konzept, welches unsere Kommunikation verbessern kann. Grundlegend ist hier die persönliche Fähigkeit, sich selbst mit seinen Gefühlen wahrnehmen zu können.

Das Problem ist auf der einen Seite, dass viele Mitmenschen dies verlernt haben, oder sich selbst dazu entschieden haben, ihre Gefühle abzuwehren.

Auf der anderen Seite lassen sich die Prinzipien des Konzepts auch mit mangelnder Selbstwahrnehmung und Empathie umsetzen. Dann handelt es sich nur um eine Hülse, ohne gefühlsmäßigen Hintergrund. Dies gilt, wie bereits gesagt, auch für das 4 Ohren Modell.

Ich habe mich in der Vergangenheit immer öfter gefragt, warum viele Mitmenschen Schreien bereits für Gewalt halten. Ich bin mir inzwischen relativ sicher, dass das Konzept allein durch seinen Namen dazu beiträgt. Der Erfinder hat mit seiner Namensgebung meines Erachtens mehr Schwierigkeiten verursacht als zu einer besseren Kommunikation beigetragen.

5 Gedanken zu „Was ist Gewaltfreie Kommunikation?“

  1. Zu 1: Deutsch will schnell auf den präzisen Punkt kommen UND hat stärkere Betonungen. Schweizerisch formuliert dagegen sauber und betont schwächer. Es geht also nicht um den Klang, sondern die Unterscheidbarkeit im Ausdruck. Deutsche fluchen meist nicht, weil das über das Ziel hinaus wäre.

    In anderen Sprachen wird die Aggresivität auch durch ergänzte Flüche aufgebaut, womit Flüche aber auch nicht (so) persönlich beleidigend sind, als im Deutschen und mehr mit der Umgangssprache verwachsen sind. Unter Migrantendeutsch, das meist auf Migrantensprachen und nicht Deutsch basiert, sind deshalb häufig Schimpfwörter inkludiert. Italiener sind dagegen über andere Konstruktionen aggressiv, meist über vollendete Tatsachen in Formulierungen, die so keine Entsprechung im Deutschen haben. Diese sind dann also nicht beleidigend, auch wenn der Gegenüber sich “aggressiv” vor den Kopf gestoßen fühlt. Italienisch im Ausdruck erstreckt sich überall im Kroatischen, was formal eine südslawische Sprache ist. Während der Ausdruck von einer anderen Südslawischen Sprache (serbisch) komplett anders ist, meist bauernhaft-großspurig und damit nicht elegant. Und die nächste Südslawische Sprache ist dagegen einfach neutral.

    Der Ausdruck muss immer zur Person passen, sonst ist es frech. Auch nicht mutig oder besonders, sondern einfach dumpf.

    Zu 2: Die Begriffe Frau und Mann muss man nicht definieren, denn sie ergeben sich aus der Natürlichkeit des Lebens und der Hackordnung. Deshalb ist es ein Fakt, dass klare vom Selbstbezug und Direktheit gekenntzeichnete Aussagen unfreundlich sind, was sich im Regelfall verläuft oder besondere Freundlichkeit des anderen bedingt, wozu dieser schonmal einen Grund haben muss. Das ist an sich schonmal in beide Richtungen kein Qualitätszeichen, weil die Freiwilligkeit wenig gegeben ist und man etwas auf andere Kosten einfordert. Beim Bäcker ist das egal, im Restaurant schon weniger, in Partnerschaft nicht.

    Die Länge eines Satzes steht in Verbindung mit der Betonung und der sauberen Formulierung. Es macht weniger “Klack” und hat eine andere Bedeutung im Sinne der Geste.

    Zu 3: Es wird mit dem GFK-Modell zwangsläufig die freie Äußerung beschnitten. Es ist also für Personen, die sich nicht ausdrücken wollen oder können. Damit hilft es jenen auch nichts, weil das schlichtweg realitätsfremd ist und keine praktische Anwendung findet. Übrigens ist “Gewaltvolle Kommunikation” nicht bedrohlich, denn eine Drohung ist etwas gänzlich anderes. Ein negatives Gefühl zu haben, etwa weil man tatsächlich der bald überführte Dieb ist, ist ebenfalls nicht bedrohlich, sondern ein Fakt. Gefühle sind also ebenfalls fast egal. In der Partnerschaft zählt dagegen die Zuneigung.

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  2. Hallo Michael. Ich bin GFK Trainer und dein Artikel hat mich angezogen. Es stimmt, der Gewalt-Begriff ist hier unglücklich gewählt. Marshall Rosenberg, der Begründer der GFK, empfand das selbst so (eine Zeit, als die GFK schon weit verbreitet war). Er hätte die GFK lieber in etwas wie “Verbindende Kommunikation” oder “Vom Herzen her sprechen” umgetauft. Aber da war der Name schon quasi als “Marke” in aller Munde um die Welt.

    “Gewalt” im Sinne der GFK ist alles, was das Potenzial hat, die Qualität von Beziehungen negativ zu beeinflussen. Wenn Menschen in ihrer Mitte sind und aus dem Herzen heraus sprechen, dann brauchen sie keine GFK.

    Für alle anderen ist die GFK ein super Werkzeug, um genau das wieder zu lernen: bewusst, vom Herzen her aus seiner Mitte heraus so zu sprechen, dass Verbundenheit entstehen kann und alle Beteiligte an und in der Beziehung sich wohl und gesehen fühlen. Und die GFK hilft auch dann, wenn durch unachtsame Kommunikation Brüche in Beziehungen entstanden sind, wieder ein eine Verbindung zu gehen. Die GFK zeigt Wege auf, wie man mit sich selbst in Verbindung kommen kann.

    Die 4 Schritte sind ein Werkzeug, welches auf dem Weg zu mehr Bewusstheit in der Kommunikation verwendet wird. In Übungssituationen ist es hilfreich, nach dem Modell zu sprechen. Mit der Zeit sickert die neue Haltung ein, dann brauchen wir dieses oft gestelzt wirkende Sprachmodell nicht mehr – und dennoch erleben wir, dass wir durch unsere Kommunikation weniger Konflikte generieren. Und wir können auch “übersetzen”, wenn jemand zu uns etwas sagt, was uns vor der GFK-Haltung als “verletzend” abgewehrt worden wäre, dann können wir jetzt mit den berühmten “Giraffenohren” hören, um was es dem anderen wirklich geht. Das tut in Beziehungen einfach gut.

    Und: Die GFK hat einen durchaus auch spirituellen Kern (auch wenn er bei vielen GFK-Büchern und auch manchen Trainern nicht erscheint). Und so kann die GFK uns helfen, zu unserem spirituellen Kern einen Zugang zu finden.

    Ich vermittle die Haltung der GFK an Paare – und sehe immer wieder, welche vielen kleinen Wunder an Heilung in den Partnerschaften geschehen.

    Wie du siehst – ich breche eine Lanze für die GFK.

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    • Hallo Martin,

      ich bedanke mich für Deinen ausführlichen Kommentar.
      Die GfK entfaltet in der Tat als “Marke” weltweit ihre Wirkung. Zumindest für Deutschland kann ich sagen,
      dass die allgemeine Verunsicherung aufgrund der “Gewalt” im Sinne der GfK nach meinen
      Beobachtungen zusätzliche Nahrung erhält.
      Diese Verunsicherung führt dazu, dass viele Mitmenschen sich nicht mehr trauen, ihre Gefühle zu zeigen,
      da sie damit bereits verbinden, sich gewalttätig zu verhalten. Dabei verhalten sich Mitmenschen nicht
      gewalttätig, wenn sie sich aggressiv verhalten. Doch dieser Unterschied geht aus meiner Sicht zunehmend unter.

      Antworten
      • Aggressivität besteht ja zwischen Kommunikationsstilen, und (fehlende) Selbstwahrnehmung zeigt dies auf. Deutsche sind in der Kommunikation aggressiv, Schweizer nicht, Engländer nicht. Gewaltvoll sprechen aber auch z.B. Italiener, obwohl sie so fein sprechen wie die Schweizer. Grundsätzlich gilt das. Jetzt muss man erstmal schauen, ob die Expression und Sprache zu einem individuell und im Einzelfall passt oder ob man nicht aggressiver ist, als man es sich erlauben kann, man also nicht frech ist. Oder das Gegenüber auf ähnlich niedrigerem oder höheren Niveau mithalten kann. (Qualitätsschwache Frauen oder schwache Männer neigen dazu sich sprachlich zu überreizen und greifen dann auch zu Absolutismen, Schwarz-Weiß-Denken, Ignoranz oder Passivität.) Also auch unter Deutschen muss man Sprache anpassen können!

        Im Regelfall sprechen dagegen richtige Frauen meist freundlicher und formulieren Sätze anders als der typische Deutsche Mann und stattdessen ähnlicher wie Schweizer. Statt “Ich will die Milch.” also “Könntest du mir die Milch überreichen?”. Selbst bei längeren Fragesätzen agieren sie nicht ungehobelt, selbst wenn sie körperlich korpulent sind und “zu ihnen passen würde”. Ungehobelt meint ja nicht nur Direktheit, sondern auch Länge der Frage/Antwort, sodass stets die Freundlichkeit gewährt bleibt. Das stellt also Deutsche und Italiener eher vor Probleme als Schweizer und Engländer, weil die Sprache grundsätzlich anders ist.

        “Gewaltfreie Kommunikation” will stattdessen diese Expression zerstören, die jeder Sprache innewohnt und “Gleichmachen”. Gerade das kann also bereits beleidigend und arrogant wirken und das Gegenteil von Authenzität oder “Gewaltfreiheit” bedeuten, sondern ist eher linkisch und unaufrichtig.

      • Hallo Hans,
        ich freue mich über Deinen Kommentar.

        Zum ersten Absatz:
        Du sagst “Aggressivität besteht ja zwischen Kommunikationsstilen, und (fehlende) Selbstwahrnehmung zeigt dies auf.” Auch wenn ich mir die größte Mühe gebe, verstehe ich nicht, was Du damit sagen möchtest.
        “Deutsche sind in der Kommunikation aggressiv, Schweizer nicht, Engländer nicht. Gewaltvoll sprechen aber auch z.B. Italiener, obwohl sie so fein sprechen wie die Schweizer.”
        Hier kann ich nur vermuten, dass Du Dich mehr auf den Klang der Sprache beziehst. Wenn dem so ist, muss ich sagen, dass es darum in meinem Artikel nicht geht. Außerdem halte ich Pauschalisierungen auch hier nicht für hilfreich.
        “Jetzt muss man erstmal schauen, ob die Expression und Sprache zu einem individuell und im Einzelfall passt oder ob man nicht aggressiver ist, als man es sich erlauben kann, man also nicht frech ist.”
        Puh … auch dieser Satz steckt voller Behauptungen, denen man zustimmen kann oder nicht. Sich aggressiv zu verhalten, bedeutet im Übrigen nicht automatisch, sich frech zu verhalten.

        Zum zweiten Absatz:
        Was sind richtige Frauen?
        Und was ist der typische deutsche Mann?
        Beide gibt es nicht. Pauschalisierungen sind für die Beantwortung der Frage ‘Was ist Gewaltfreie Kommunikation’ nicht hilfreich.
        Es mag sein, dass eine klare Aussage wie “Ich will die Milch” Dir unfreundlich erscheint. Doch es bleibt eine Aussage mit einer klaren Botschaft, während “Könntest Du mir die Milch überreichen?” eine Frage ist. ‘Ungehobelte’ Kommunikation mit der Länge einer Frage/Antwort in Verbindung zu bringen, irritiert mich. Vielleicht magst Du das erläutern.

        Zum dritten Absatz:
        Nein! Gewaltfreie Kommunikation möchte erst einmal nichts zerstören. Soweit würde ich nicht gehen. Mit den von mir 4 besprochenen Schritten sollen Mitmenschen befähigt werden, sich auf dem Hintergrund ihrer Gefühle verbal mehr zu zeigen. Die Gefahren habe ich, so hoffe ich, deutlich gemacht.

        Gruß Michael

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