Kinder bespaßen – Gefahr für die Entwicklung

Kinder bespaßen ist für viele Eltern offenbar ihre Elternpflicht. Auf diesen Umstand bin ich gestoßen, weil bei Zeit Online ein Artikel dieses Thema mithilfe eines Interviews aufgreift. Leider befindet sich der Artikel hinter der Bezahlschranke. Dennoch gab er mir Anlass, mich intensiver mit dem Kinder bespaßen zu beschäftigen.

Denn dafür war die Überschrift des Artikels ausreichend. Warum mich die Recherche zum Thema direkt entsetzt hat, erfährst Du im folgenden. Und ich gehe auf die Idee oder ‘Elternpflicht’ ein, Kinder zu bespaßen.

Kinder bespaßen – Warum?

Es ist wohl einem einzigen Umstand geschuldet, dass Eltern heute oft annehmen, ihre Kinder bespaßen zu müssen. Kinder sind heute nicht einfach nur da.

Heute gibt es das ein oder andere Postulat. Diese führen dazu, dass Eltern erheblichen Druck verspüren, ihre Kinder vor Schaden zu bewahren und sie zu fördern.

Gefahr Langeweile

Eine der größten Gefahren ist in diesem Zusammenhang offenbar die Langeweile. Der Duden liefert eine für mich erschreckende Begründung:

als unangenehm, lästig empfundenes Gefühl des Nicht-ausgefüllt-Seins, der Eintönigkeit, Ödheit, das aus Mangel an Abwechslung, Anregung, Unterhaltung, an interessanter, reizvoller Beschäftigung entsteht

https://www.duden.de/rechtschreibung/Langeweile

Eines ist also gewiss. Langeweile ist ganz offensichtlich ein Gefühl. Und es ist unangenehm. Ursächlich für dieses Gefühl ist, und hier liegt der Hase im Pfeffer, ein Mangel an Abwechslung, Anregung und Unterhaltung.

Also ist es doch logisch, Kindern, denen Abwechslung, Anregung oder Unterhaltung fehlt, diese zu bieten.

Ablehnung unangenehmer Gefühle

Der Duden läßt es nicht unerwähnt. Sich zu langweilen, ist unangenehm. Der Schluß, dieses Gefühl sei negativ und müsse vermieden werden, ist allerdings falsch. Leider ist es immer noch so, dass in unserer Gesellschaft Gefühle als negativ und positiv bewertet werden (sollen).

Die Auswirkungen dieses Umstands sind vielfältig und waren in diversen Artikeln hier bei Aufklärung tut Not bereits Thema. Entscheiden wir uns, unsere Gefühle abzulehnen, werden wir zu Techniken übergehen, diese zu beseitigen.

Kinder lernen den falschen Umgang mit Gefühlen

Wenn Eltern also, auf welche Art auch immer, ihren Kindern Ablenkung, Unterhaltung und Anregung präsentieren, weil sie glauben, Langeweile schade ihnen, dann sind sie auf einem Holzweg.

Ich habe eingangs gesagt, dass mich die Recherche zum Thema entsetzt hat. Entsetzt bin ich durch den Umstand, dass es unzählige Seiten im Internet gibt, die Ideen zur Bespaßung von Kindern präsentieren.

Diese Seiten leisten einem Erziehungsverhalten Vorschub, welches die natürliche Entwicklung von Kindern mindestens verzögert. Langeweile ist grundsätzlich ein Motor, der Kinder dazu bewegen kann, selbst nach Beschäftigung zu suchen und kreativ zu werden. Denn Kinder sind sehr früh in der Lage, anhand ihrer Umgebung spannende Beschäftigung zu finden.

Das Kinder bespaßen hindert Kinder daran, ihre vorhandenen Ressourcen zu nutzen. Kinder, denen nicht gewährt wird, sich zu langweilen, lernen vielmehr früh, sich auf welche Weise auch immer abzulenken, abzulenken von ihrem Gefühl Langeweile.

Eltern und der Umgang mit den eigenen Gefühlen

Wenn Kinder sagen Mir ist langweilig oder Ich langweile mich, dann macht dies etwas mit ihren Eltern. Das bedeutet, dass sich bei ihnen ein Gefühl einstellt. Vielleicht sind sie irritiert. Oder sie sind überrascht?!

Tatsächlich erfahren Eltern von ihren Kindern mit diesen Aussagen auf der Selbstoffenbarungsebene, wie es ihrem Kind im Moment geht. In einer Selbstoffenbarung ist nicht die (verschlüsselte) Botschaft enthalten, Lenke mich ab oder Kümmere Dich um mich. Diese Aussagen enthalten keinen Appell, mit dem Kinder ihre Eltern zu etwas auffordern wollen. Doch viele Eltern neigen heute dazu, sich voll und ganz und dies mehr oder weniger 24 Stunden auf ihre Kinder auszurichten. Wenn sie zusätzlich dazu neigen, Nachrichten (Aussagen) mit dem Appellohr oder Beziehungsohr zu hören, finden sie eine Aufforderung oder Beziehungsaussage in den Mitteilungen ihrer Kinder.

Bitte beschäftige mich! (Appellebene)

Ich möchte, dass Du mir die Langeweile nimmst. (Beziehungsebene)

Doch eine Selbstoffenbarung zielt nicht darauf ab, zu etwas aufzufordern oder um etwas zu bitten. Eine Selbstoffenbarung tätigen wir bzw. sollten wir tätigen, um uns mit unseren Gefühlen mitzuteilen. Wir möchten mit unseren Gefühlen gehört und wahrgenommen werden. Dies gilt selbstverständlich auch für Kinder. Wenn Eltern ihrerseits Langeweile negativ bewerten, werden sie diese ablehnen, und dies auch für ihre Kinder. Und sie werden ihre Kinder bespaßen, anstatt ihnen zu signalisieren, dass sie verstehen, dass ihre Kinder sich langweilen und das dies völlig in Ordnung, also nicht verwerflich ist.

Kinder bespaßen versus Zuwendung

Kinder möchten also Zuwendung seitens ihrer Eltern. Sie möchten wahrgenommen werden, denn sie bieten mit ihrer Aussage auf der Selbstoffenbarungsebene Kontakt an. Eltern stehen dann vor der Entscheidung, ob sie ein solches Kontaktangebot annehmen oder ablehnen.

Nehmen sie das Kontaktangebot ihres Sohnes oder ihrer Tochter an, werden sie zum Beispiel sagen:

“Du langweilst Dich. Und nun?”

Lehnen sie das Kontaktangebot ab, werden sie vielleicht Vorschläge machen, wie:

“Dann spiel doch was!”

oder

“Du hast doch genug Spielzeug.”

Kinder bespaßen mit passiven Medien

Eltern, die sich aufgefordert erleben, ihre Kinder abzulenken, zu unterhalten, sind schnell in einem Fahrwasser und dadurch ständig gefordert, sich anstatt ihrer Kinder etwas einfallen zu lassen; und sie sind damit irgendwann auch mal überfordert oder haben keine Energie oder sogar keine Lust?!

Erfreulicher Weise (für manche Eltern) sagt der Mainstream der Medienpädagogik, Kinder früh an die digitalen Medien heran zu führen, sei wichtig. Also bekommen Kinder heutzutage zur Ablenkung Spielkonsolen oder Tablets in die Hand, die ihnen passive Ablenkung verschaffen.

Kinder bespaßen – Gefühle und Interpretation

Kinder werden von ihren Gefühlen nur dann weiterhin erzählen, wenn sie merken, dass sie diese haben dürfen. Das Kinder bespaßen zeigt Kindern leider nicht, dass sie sich langweilen dürfen. Sie erfahren damit eher, dass ihre Eltern das nicht wollen.

Wie jedes andere Gefühl ist auch sich zu langweilen vielleicht unangenehm, aber keinesfalls negativ. Deshalb sollten Eltern sich zurück nehmen. Sie sollten mit ihren Kindern Kontakt gestalten, sie allerdings nicht ablenken, indem sie Kinder bespaßen.

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